Supersense, Città Vecchia und Freitag der 13.11.
Irgendwo
im Netz bin ich vor dem Tourstart drüber gestolpert. Irgend so ein
Blog, was weiß ich. Das oder die
Supersense. Café, Laden für
Vintage
Kameras, Druck mit Bleisatz, Holzschnitt, so Zeug, analog Equipment und
scheinbar auch analoges Tonstudio. So richtig vorstellen konnte ich mir
's da allerdings nicht. Letztendlich richtig neugierig gemacht hat mich die
Aufzugskabine. Eine Jugendstil Aufzugskabine in der man für einen kleinen Obolus eine
Mono-Aufnahme von 90 Sekunden machen kann, die direkt in Vinyl geschnitten wird. Oder war
's Azetat? Oder ist
das das gleiche? Egal. Aufregend hört sich das allemal an. Genau der richtige
Boxenstopp auf dem Weg zum Graz Auftritt. Ich bin völlig begeistert.
Vorsichtig ausgedrückt. Nicht nur das man im Café im Eingangsbereich
erstmal eine Melange oder einen großen Braunen nehmen kann, nein, es
gibt auch noch
obskurste Vintage-Gitarren zum Verkauf. So obskur das ich eigentlich mit anschauen völlig bedient bin.
Aber dann diese
Aufzugskabine! Der Knaller! Ich nehme vier 7
" auf. Zwei Versionen von
"Lonesome Town" mit
Omnichord, zwei von
"Sergeant
Small" mit dem
Irish Bouzouki und
bin jedes mal verblüfft wie lang 30 Sekunden doch sein können. Muss wieder hier her.
Der
Dienstagabend Auftritt in der Kulturhure in Graz erweist sich als ein
sehr familiärer. Wenig Leute, was aber bei der Größe völlig
ok ist. Der Laden heißt übrigens wirklich so. Also eigentlich vollständig
CuntRa La Kunsthure. Nettes Ding. Nette Leute. Sehr charmant.
Es folgt nach dem obligatorischen Kürbiskernöl-Einkauf am kommenden Tag eine überaus tunnelreiche Fahrt nach
Trieste wo ich bei dem Schauspieler-Pärchen Eva und
Lorenzo und deren Mitbewohner Simone
aka. The Leading Guy (toller
Singer/Songwriter Stoff) unterkomme.
Ferrara,
sagt Dominik, ist die Stadt mit den glücklichsten Menschen in Italien.
Statistisch gesehen. Das wird sich heute zeigen müssen. Zunächst mal ist
es eine ausgesprochen hübsche Stadt mit einer hervorragend erhaltenen
Mauer drumherum, wobei ersteres sich von
Trieste
auch sagen lässt. Das mit den glücklichsten Menschen kriegt auch
relativ schnell einen unschönen Kratzer ab. Zumindest kann ich mir nicht
vorstellen das Federico
Aldrovandi, ein junger Stammkunde im
Centro Sociale,
so besonders glücklich darüber war als er hier in Polizeigewahrsam auf
nach wie vor ungeklärte Art verstorben ist. Man sagt es wird intern
ermittelt. Bislang ergebnislos.
Ich verordne dem Polizeicorps von Ferrara in Gedanken einmal täglich
"One Shoe" vom Klezmer
Mongrels Album von
Geoff Berner zum Morgenappell.
Das das Centro Sociale ausgerechnet in der
Viale della
Resistenza liegt, passt wie Arsch auf Eimer. Gute Leute hier. Und: es
ist mein erster Auftritt in Italien. Wird mir sicher unvergesslich
bleiben. Der Abend ist sehr gut besucht. Der Sound toll. Das Set läuft
perfekt, das Publikum begeistert. All das eigentlich zu schön um wahr zu
sein. Irgendwer schneidet mit. Fast will ich mir das nicht anhören um
den Eindruck des Abends nicht zu entzaubern
....
Off-Day. Vormittag eines sonnigen Novembertages im Piemont, südlich von Turin.
Bin
bei Freunden untergekommen, irgendwo weit weg von stadtähnlichen
Ansiedlungen. Das Anwesen, erbaut in den 60er/70er Jahren könnte eine
Filmkulisse sein.
Antonioni vielleicht. Geschlafen wie ein Stein nach einer tatsächlich großartigen Fahrt hierher. Tolle Strecke. Pisa -
Genova -
Torino. Allein wegen der Landschaft haben sich die Autobahngebühren gelohnt. Bei Ankunft dann Abendessen bei Daniela und
Gigi's
Familie. Jetzt weiß ich auch das es nichts Vergleichbares zu einem
Abendessen in Italien, mit drei Generationen an einem Tisch, gibt. Ein
quirliges, fröhliches, Chaos. Großartig. Ein Monat unterwegs jetzt und
es ist ein nicht enden wollender Traum.
Genova.
Der zweite Auftritt in Italien. Ich entscheide mich für die
Landstraßen-Route und komme dabei durch Orte die ich bislang nur von
Weinflaschen-Etiketten kenne.
Asti, Alba,
Gavi. Genova dann ein wüstes Durcheinander von Stadt aus
Chic, Industrie, Hafen und verwinkelter Altstadt. Sympathisch
trashig
- fühle mich ausgesprochen wohl hier. Das vom Veranstalter gebuchte
B&B ist klein, charmant, kitschig auf nette Art und war mal die
Wohnung des
Genoveser Cantautore/Legende
Fabrizio de André.
Dankbarerweise direkt neben dem Club, der
Taverna Zaccaria.
Eine super-nette Bar, die den Platz vor der Kirche nebenan als
Freiluft-Gastraum nutzt. Zum wiederholten mal stelle ich fest das die
Verköstigung hierzuland
Top-Priority genießt.
Da geht
's
wohl schon auch bisschen um die Ehre. Und es braucht Zeit. Italien,
merke ich, ist grade auf dem besten Weg Katalonien kulinarisch den Rang
abzulaufen. In meinem ganz persönlichen Ranking. Sensationell. Außer den
Konzerten gibt
's
auf Tour ja nicht so allzu viel mit dem man sich beschäftigen kann. Das
Essen nimmt da - zumindest bei mir - schon eine Schlüsselrolle ein.
Noch vor dem Postkartenschreiben.
Nach der Show nehmen mich Simona,
ihre Freundin und Bandkollegin deren Namen ich natürlich schon wieder
vergessen habe und ihr Soundmann noch zwei Ecken weiter mit. In einem
Wohnhaus mitten in der
Città Vecchia stehen wir plötzlich in einem Wohnzimmer. Mit Bar. Mit Bühne.
Mit Flügel,
Drumkit und
Amps. Ein
schweine-gutes
Jazz-Trio improvisiert. Man nötigt mich auch was zu spielen. Mag ich ja
eher nicht so. Wird aber dann doch sehr schön. Mit den Jungs die eben
noch
gejamt haben und Simona am E-Bass spielen wir die vermutlich
jazzigste Version von
"Light Enough To Travel" die es jemals auf eine Bühne geschafft hat. Wunderschöne Stadt mit - jetzt - auch noch speziellen Erinnerungen.
Noch
einen Tag totschlagen mit Sachen aufschreiben, etwas üben, vor allem
essen, bis ich am Freitag nach Lyon fahre und dort meinen britischen
Compadre Grae J. Wall treffen werde. Zusammen geht
's dann nach der Lyon-Show südwärts nach Katalonien.
Freu mich drauf. Vor allem nachdem ich mittlerweile gesund gefüttert wurde.
Die Alpen nebst Mont
Blanc via
Frejus-Tunnel
unterlaufen. Da wo ich wieder an die Oberfläche komme schneebedeckte
Berge in der Sonne, beeindruckendes Panorama mit Mautstation und
Felswänden. Vermutlich waren die EUR 44.- Tunnelgebühr vor allem für
diesen Ausblick gedacht.
Wieder eine Fahrt durch eine
Bilderbuchlandschaft, das Rhone Tal, in Richtung Lyon. Ausnahmsweise
verlässt mich mein Navi diesmal nicht und ich finde das Kraspek Myzik auf Anhieb. Parkplätze zeigt sich, sind hier etwa so einfach zu finden wie in
Trieste,
Genova oder Wien, dafür ist diese Ecke von Lyon einer der schönsten Orte dieser Tour.
Croix Rousse oder
Les Pents heißt der Stadtteil glaub ich, ganz begriffen hab ich
's aber wohl doch nicht. Egal. Hoch über der Stadt gelegen, verwinkelte Gassen, endlose
Treppenfluchten, Hausdurchgänge - ein einziges Labyrinth. Bars, Cafés, kleine Läden,
Tabac Shops. Wie dieses Eck der Gentrifizierung bisher entkommen konnte ist mir ein Rätsel.
Das
Kraspek
dann ist ein kleiner, super-sympathischer
Club/Plattenladen/Kultureinrichtung, geführt von einem selbstverwalteten
Kulturverein. Wir teilen uns den Abend mit
June Bug aus Lille. Großartiges Duo. Stell Dir vor Jim Avignon/
Neoangin mit einer Brise Folk und
Sonic Youth. Als Krönung spielen sie als Zugabe die berührendste Version von
Leonard Cohen's
"The Partisan
" die ich bisher zu hören bekommen habe. Gänsehautgarantie. Nicht zuletzt wegen des traumhaften male/
female Harmoniegesang. Der Abend des 13. November lässt sich gut an. Gut besucht und sowohl
June Bug, als auch
Grae's
lofi-country
Set als auch der Anfang meines Auftritts kommen bestens an. Dann,
mitten drin, kippt die Stimmung auf seltsame Weise. Plötzlich ist die
Atmosphäre völlig verändert, fast jeder tippt wie verrückt auf seinem
Smartphone rum. Auch noch als
Grae
und ich zusammen mit einigen gemeinsamen Songs den Abend abschließen.
Was wir nicht wissen ist das zeitgleich in Paris Bomben vor dem Stade de
France hochgehen und Konzertbesucher im
Bataclan erschossen werden. Es ist fast wieder wie am 11. September 2001 als
Grae und ich mit den
Anglo German Low Stars auf Tour waren. Eine gespenstische, beängstigende Stimmung liegt in der Luft und wie damals dämmert mir das ich die
Tragweite all dessen
vermutlich erst in ein paar Tagen richtig begreifen werde.
Party-Stimmung kommt nicht auf, allerdings sitzen unsere Gastgeberin
Pauline und zwei Jungs vom Club mit uns noch bis in die Morgenstunden.
Die Ereignisse in Paris lassen uns nicht los und werden es auch den Rest
der Tour nicht tun. Erfreulich lediglich das zumindest keine Freunde
und Verwandte der anwesenden Gäste zu Schaden gekommen sind.
Der
folgende, strahlend sonnige Vormittag vergeht mit einem kleinen
Spaziergang durchs Quartier, einigen Tassen Kaffee und einigen, absolut
unvermeidlichen, natürlich exzellenten,
Tartes.
Wir laden den Wagen und machen uns auf den Weg nach Süden. Erste Etappe
an diesem, spielfreien, Samstag. So weit wie möglich runter,
übernachten und Sonntag dann der erste Auftritt in Katalonien, in La
Bisbal d
'Emporda. Etwas besorgt sind wir ob wir derzeit überhaupt über die Grenze kommen.
Für das Roadtracks Magazin
geschrieben, findest Du bis Dezember 2015 in diesem Blog Nachrichten,
Wasserstandsmeldungen, Befindlichkeitsnachweise und vermutlich auch den
einen oder anderen Link aus der etwas unkalkulierbaren "On
Tour"-Parallelwelt von Mäkkelä's Tour zu seinem am 4. September
veröffentlichten Album "Last Of A Dying Breed". Alle kommenden Konzerttermine auf maekkelae.com.