Samstag, 17. Oktober 2015

Last Of A Dying Breed. Tourblog 2015. Episode 2

Die Toten

Jede Tour scheint in sich eine eigenartige Logik zu bergen. Macht man sich Notizen und liest die im Nachhinein durch stösst man in der Regel auf Muster. Mir geht's so zumindest. Der vier Wochen-Block im Frühjahr durch Skandinavien und das Baltikum war der regnerischste seit ich das mache und vielleicht der, der mich gezwungen hat meine Songs unter einem anderen Aspekt, mit einer anderen Attitüde zu spielen. Hat mich verblüfft das das möglich ist. Es ist offenbar doch noch mehr Punkrock in dem was ich mache als ich für möglich gehalten habe.


Diese, mittlerweile bei Tag 10 angekommene, Tour scheint sich ohne größeres Zutun immer mehr mit dem ihr gegebenen Namen zu identifizieren. Damit zu verschmelzen. Ich verlasse das von Kirchweih-Seligkeit besoffene Fürth, während die Bevölkerung des Landes in dem ich lebe vorwiegend damit beschäftigt ist Asylbewerberheime abzufackeln. Ein Land mit einem zwanghaften Drang zur Pyromanie. Keine allzu neue Erkenntnis. Ich treffe auf meine Toten, auf meine Vermissten und immer wieder Fragmente aus den vergangenen Jahren. Personen die ich vergessen hatte, Orte die ich nur noch verschwommen im Gedächtnis hatte. Eine Spiegelung dessen was sie tatsächlich sind.
Erstes Konzert Dortmund, Sissikingkong. Da sind Menschen die Isi und mich beim TFF Rudolstadt gesehen hatten, ein delirierendes Hafenviertel im Zentrum des postindustriellen Deutschland, eine Nacht zwischen Küchenphilosophie und Hafenschänke und erstaunlichen Erkenntnissen bzgl. der hiesigen Genussmittelversorgungslage.
Bei sonnigstem Herbstwetter nordwärts nach Wilhelmshaven, vorbei an Großenkneten. Wegmarke. Du erinnerst Dich? Dann das Kling Klang. Der letzte einer sterbenden Gattung in einer dahinsiechenden Stadt in einem der letzten Läden seiner Art. Leerstand, großartige Menschen und ein Auftritt der mich langsam in das richtige Fahrwasser kommen lässt. Die halbe Nacht mit einem Freund gesessen. Wieder die Küche. Erzähl mir von Deinen Toten und ich sag Dir wie's mit meinen steht. Die Dead Brothers als Ouvertüre zum Konzert sind mehr als passend. Was hätte auch anderes laufen sollen?
Den anderen Freund besuche ich tags darauf auf dem Weg nach Hamburg zum Auftritt im Mobile Blues Club. Hat weniger Glück gehabt. Der Friedhof von Lilienthal. Sonnig. Scheisskalt. Andrew und sein Fender Bass. Ich erinnere Momente die schon weg waren, Bühnen, Gigs und es schnürt mir den Hals zu. Krieg ne Textnachricht von Holm: Hab Deinen Song auf Deutschlandfunk gehört heute Nacht um 5. Das heisst ich muß zum Hamburg Konzert kommen. Sehn uns da. Kleiner, intensiver Auftritt im MBC, Übernachtung neben dem Otzentreff, Pflichtbesuch im Nachthafen. Sonntagsausflug am Day-off nach Groß Wedel. Fucking zweieinhalb Stunden runter Richtung Salzgitter. Ich mach die Tür von dem auf was mal als Haller's Kultur Cafe der Ignoranz der Region getrotzt hat. "Nee! Damit hätt ich jetzt nicht gerechnet! Der Mäkkelä!" Wir schlürfen Kaffee, ich höre zu wie sich Haller & Renate an die schönen Momente erinnern. Auch an die nicht so schönen. Er schenkt mir einen Gedichtband den er vor einem halben Leben veröffentlicht hat. Falls Du mal Inspiration brauchst.

Es wird spannend. Wohnzimmerkonzert in Gettorf. Wo das ist? Gute Frage. Nicht so weit von Hamburg, also runter von der Autobahn, Landstrassen, immer noch sonnig, traumhafter Herbst, Tour-Herbst. Vielleicht sollte ich das öfters machen. Das mit den Wohnzimmershows. Das Wohnzimmer ist voll. Auch mit Kindern die kreuz und quer herumkrabbeln und somit auch ab und an über die Bühne. Intimer Abend. Bei Ship Repairing Men outen sich mein Gastgeber und einer seiner Freunde als Werftis. So nennen die das hier. Leute die auf der Werft arbeiten. Hab ich nicht überrissen, aber klar, hier ist genug Wasser für sowas. Irgendwie passt gerade alles.
Sightseeing mit meinem Gastgeber Tim am folgenden Vormittag fällt flach. Es wird jetzt genau so wie man eine Tour im Herbst gern nicht hätte. Kalt, regnerisch, ungemütlich.
Tag sechs ist Kiel. Prinz Willy. Liebe ich, den Platz.  Der Abend im Prinzen dann. Wieder wer nach dem Konzert: Hab Tramontana auf RBB Radio Eins gehört. Sendung Lost In Music. Die haben das Ding richtig gelobt. Sind gestern hioerhergezogen und haben gesehen Du spielst. Mir fällt ein das gerade seit gestern das Album CD der Woche bei Radio ARA in Luxembourg ist. Something is happening and I don't know what it is.
Der Mittwoch. Tag sieben. Endlose Fahrt nach Leipzig in Begleitung des neuen Libertines Albums. Ziemlich gute Begleitung. Ich freu mich auf Markus, Endrick und die anderen Verrückten vom Unstrut Festival im Juli. Wir befinden uns in Leipzig Dölitz. Hab ich das richtig verstanden? Das hier war mal der Ortsteil mit der örtlichen Nervenheilanstalt? Passt. Die Shows fangen an zu laufen. Ich meine: ich muss nicht mehr nachdenken. Ich kann mehr reinlegen. Zwischendrin schreit wer: spiel Miracle Gyrlz! Wie bitte? Was denn? Wer kennt das denn noch? Die kleine Punkerin die sich 1995 in Hoyerswerda beim Gig in den Fahrer unserer Band verguckt hat. Eine halbe Nacht vergeht beim Update von dem was seither passiert ist. Wer gestorben ist. Wer lebt. Ich muss weiter. Ich bin etwas weniger erledigt als ich eigentlich befürchtet hatte. Dafür das wir mittlerweile Tag acht schreiben.
Berlin. Wieder. Wie oft war ich dieses Jahr schon hier? Ich befürchte zu oft. Versöhnlicher Abend. Mäkkelä leicht durchgerockt. Handvoll Freunde im Publikum. Stenzel, Tiefel, Clarky. Auto abstellen, paar Drinks in der Schönlein. Er zurück von Gigs in Brasilien, ich arbeite mich südwärts. Nicht ganz so weit. Ab morgen dann mit Isi Rößler am Bass.

Vormittag. Tag neun. Textnachricht von Isi. "Hei, ich war beim Doc. Hat mich sofort ins Krankenhaus überwiesen. Irgend 'ne tischtennisballgroße Schwellung. Lymphknoten oder so. Weisst doch noch, wie vor zwei Jahren auf der Tour. Ich muss Dir das alles absagen und ich hatte mich so drauf gefreut." Scheisse. Ich auch. Pass auf Dich auf. Erhol Dich. Wir brauchen gerade keine größeren Katastrophen.

Das alles macht die nächsten Tage nicht unbedingt einfacher. Nochmal vier Tage 100% oder mehr geben, fahren, ins Bett fallen und darauf hoffen das am Off-day in Colmar wenigstens ein bischen die Sonne scheint.
Das KunstKaufHaus in Hof erreiche ich nach satten fünf Stunden von Berlin aus. Regen. Stau. Es nervt. Alte Freunde dort, großartige Presse im Vorfeld und wie schon beim letzten Auftritt hier ausgesprochen hervorragende Betreuung von Alex. Geschlafen wie ein Stein, beim Aufstehen gemerkt das ich jetzt endlich auch meine traditionelle Tour-Erkältung habe undmittlerweile bereits die dritte Stunde am Rechner. Blog schreiben, Mails beantworten, versuchen in Italien noch 1-2 Shows zu kriegen. Es fühlt sich richtig an im Moment. Richtiger als vielleicht jemals zuvor.
Heute Abend im Zum Rösla in Burgkunstadt. Ab dann geht's endlich südwärts. Offenbach, Trier, Karlsruhe, Freiburg und die Schweiz.

Für das Roadtracks Magazin geschrieben, findest Du bis Dezember 2015 in diesem Blog Nachrichten, Wasserstandsmeldungen, Befindlichkeitsnachweise und vermutlich auch den einen oder anderen Link aus der etwas unkalkulierbaren "On Tour"-Parallelwelt von Mäkkelä's Tour zu seinem am 4. September veröffentlichten Album "Last Of A Dying Breed". Alle kommenden Konzerttermine auf maekkelae.com.




 

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