Samstag, 19. Februar 2011

Light Enough To Travel


Sie waren dann noch aus. Strip-Bar mit Karaoke. Oder Karaoke mit Striptease. War auch irgendwie klar. Gute Show gespielt und das wo eigentlich nichts zu holen war. Sie, das waren der kleine Kanadier mit seinem Akkordeon, ein durchgeknallter Norwegischer Fan der jodeln konnte, und zwei verrückte finnische Hühner. War natürlich nichts. Nepp. Und dann auch noch rausgeflogen weil sie alle zusammen grad mal dreifuffzig Trinkgeld für die Tänzerin zusammengekratzt hatten.

Das war alles noch beinahe Metropole.

Jetzt schlurften wir beide über den Bahnhofsvorplatz einer Reissbrett-Stadt in Pohjanmaa, dem Mittleren Westen Finnlands. Redneck Country.Der eine mit einem runtergewanzten „Estella“ Akkordeon, der andere mit einer abgeschlagenen Gretsch und einem Fender "Champ". Freitagabend in Seinäjoki. Doppelkonzert. Klezmer-Akkordeonist trifft Lofi-Pop Songwriter. Wenn irgendwas nach Ärger riecht... Sei's drum. Das hatten wir alles auch schon schlimmer.

Der Bärtige mit dem Basecap und den drei Kilo Kette am Portemonnaie baut uns die Anlage auf und gibt uns wortlos zu verstehen: der Soundcheck ist Euer Bier. Ach ja, eines habt Ihr frei.
Zehn Minuten noch. Wir sitzen vor dem Pub, kippen unser Budget-Bier. Ich versuche unter den gut zwanzig Gästen die Troublemaker zu erkennen. Prinzipiell alle. Außer vielleicht den fünf englischsprechenden Austauschstudenten. Der Rest sind Basecaps und Skinheads.
Was dann folgt trägt Kaurismäki's Handschrift. Sie hören zu, schweigen, trinken. Ich gebe nach meinem Set einem Skin ein Autogramm auf den nackten Bierbauch. Und dann – bei Geoff's Set – erlebe ich ein Märchen. Er spielt keine seiner Sauf-Nummern, die immer funktionieren. Er geht Risiko. Er kann nicht anders. Er ist der Whiskey Rabbi. Er beginnt mit einer magischen Version seines vielleicht ruhigsten Songs. Den Rücken zur Glasfront vor der wir spielen, den Blick nach irgendwo weit weg. Draußen tobt ein Schneesturm.

smashed the windows of the logging company / just to get a little release / had to throw down my accordion / to get away from the police.

make it light enough to travel.
make it light enough to travel.


Mir steht das Wasser in den Augen.
Und ich bin nicht allein.



Geoff Berner spielt mit seinem Trio am 22. März 2011 in der Galerie Bernsteinzimmer in Nürnberg (Großweidenmühlstrasse 11). Support an diesem Abend sind Mäkkelä, van Velzen & Church Of The Blue Nun. Der Text ist ursprünglich zur Veröffentlichung im Magazin "Vergine" gedacht gewesen. Leider hat sich das im Sand verlaufen bzw. die Erstausgabe ist nie erschienen. Vermute ich mal.
About: April 2009. Pub Palaveri, Seinäjoki/Finnland. Geoff Berner & Mäkkelä's Trash Lounge.



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