Samstag, 2. April 2011

Musiikkin Tutkia

Die für Mik Lüllwitz' Projekt "Musiikkin Tutkia" gewählten Stücke haben mich jedes auf seine Art über die letzten Jahre auf meinen Tourneen begleitet. Da vor allem weil lange Autofahrten für mich mittlerweile zu einer der wenigen Möglichkeiten geworden sind ungestört Musik zu hören ohne ständig von irgendwelchen halbwichtigen Dingen abgelenkt zu werden. Wie auch immer. Hier einige Anmerkungen dazu die auf den Covers schlicht keinen Platz gehabt hätten

"Kun Suomi Putos Puusta", Ismo Alanko
(Album: Kun Suomi Putos Puusta, Seal On Velvet)
Vom gleichnamigen Ismo Alanko Album. Ismo Alanko ist vielleicht die Ikone intelligenter, finnischer Rockmusik. Ein Songpoet der für mich - besonders in diesem Stück - Finnland und die Finnen beschreibt. Ganz großer Songschreiber. Mittlerweile vielleicht einen Tick zu gefällig/mainstreamig geworden. Dieses Album allerdings ist einzigartig und allein für diesen Song lohnt es sich finnisch zu lernen.

"Minnesota Tango", Kip Peltoniemi
(Album: Minnesota Tango, Texicalli Records)
Amerikanischer Akkordeonist mit finnischen Vorfahren. Kip hat sich der Pflege des Liedguts und der Spielweise verschrieben, die unter den finnischen Auswanderern in Minnesota entstanden ist. Ein witziger Text und ein Stück das von einem Hauch augenzwinkernder, finnischer Melancholie - so es sowas denn gibt - durchweht wird. Und ja - das gibt es. Ich leg das Stück seit Jahren immer wieder mal bei meinen SuomiDisko-Abenden auf. Eher am späteren Abend. Das ganze Album (heisst auch "Minnesota Tango") ist nicht nur mit der Créme der finnischen Folkszene aufgenommen sondern glänzt auch noch durch unterhaltsamste Linernotes von Kip selbst und sprüht vor Charme. Hillbilly meets Suomi-Folk meets C & W.

"Muistojen Bulevardi", Uusikuu
(Album: Hotelli Untola, Peregrina Music)
Drei in Oxford lebende Finnen, ein Deutscher und ein Engländer interpretieren auf ihrem Debüt-Album "Hotelli Untola" auf erfrischendste Weise finnischen Tango und Tanzmusik der 30er, 40er und 50er Jahre. Uusikuu. Irgendiw sind wir uns in England bei einem Mäkkelä's Trash Lounge Auftritt in Reading über den Weg gelaufen obwohl wir jeweils voneinander schon lange Zeit wussten.
Das Stück "Muistojen Bulevardi" (Boulevard der Erinnerungen) ist einer meiner Favoriten vom eben genannten Album. Klingt für mich wie ein Spaziergang am herbstlichen Hafen von Helsinki, früh um sechs nach einer durchfeierten Nacht. Ich liebe dieses Stück in der Uusikuu Version. Ein Schwebezustand zwischen Glück, Sehnsucht und Verzweiflung. Da geraten offenbar meine finnischen Gene ins Rotieren...

"Ovet ja huonet", Eleanoora Rosenholm
(Album: Vainajan Muotokuva, Fonal)
Die Stimme von Eleanoora Rosenholm - so der Bandname - ist Noora Tommila. Eleanoora Rosenholm ist eine fiktive Person, genauer, Serienmörder-Hausfrau. Ich bin völlig fasziniert von dieser finnsichen Band. Irgendwie große Popmusik und immer unterschwellig sehr beunruhigend. Nooras Stimme ist für mich ein echtes Gänsehauterlebnis. Keine Ahnung ob es an den Texten, der Musik oder beidem liegt. Der musikalische Background bei Eleanoora Rosenholm wird aber auch von zwei der genialsten Weirdos der finnischen Indieszene geschrieben und arrangiert. Mika Rättö (u.a. auch einer der Köpfe hinter Circle, der allerdings kein festes Bandmitglied ist) und Pasi Salmi (Magyar Posse). Ich kenne nicht's wirklich vergleichbares. Dieses Stück ist vom Debüt-Album "Vainajan Muotokuva".

"Umbrellas", Bidgie Reef & The Gas
(Album: Pinstripes & Promises, XXIV) 
Bidgie Reef & The Gas sind die Band um Roger Winslet und Pete Brookes aus Reading. Ein Dreamteam. Der eine (Roger) eine knorrige Mischung aus Gentleman alter Schule, Exzentriker und Kumpel von nebenan. Hauptberuflich Schauspieler ist Roger für den Gesang bei den Bidgies verantwortlich, ein brillanter Rezitator und eine großartige Bühnenpersönlichkeit. Überhaupt scheint die ganze Winslet Familie das Schauspielern im Blut zu haben. Siehe auch Tochter Kate. Jetzt weiß ich wo's herkommt. Pete Brookes ist der Pianist und zu einem großen Teil auch für die Texte verantwortlich, hauptberuflich Dozent für irgendwas an irgendener Uni. Vermutlich in Reading. Ich hatte das Vergnügen (und die Ehre) immer wieder mal mit den beiden gemeinsame Auftritte spielen zu können. Das hat dann letztendlich auch dazu geführt das die beiden auf meiner Aufnahme von "The Penguins Of Notting Hill Gate" zu hören sind. Erinnert mich jedes mal an einen eigenartigen Auftritt den wir eben dort zusammen hatten. Sehr, sehr britisch, das. Sehr, sehr groß auch. Bin Fan. Das Album dürfte schwer zu kriegen sein da das Label, nachdem es die Band über den Tisch gezogen hat, erstmal Pleite gegangen ist und sich dann in Luft aufgelöst hat. Als Download oder via amazon.co.uk könnte man das Teil noch kriegen.

"Miss Hertfordshire", Mäkkelä's Trash Lounge
(Download Single Miss Hertfordshire, 9pm Records)
Entstanden auf Tour in Finnland 2009 im Zug von Rovaniemi nach vermutlich Helsinki irgendwo auf Höhe von Oulu. Eine Art musikalischer Postkarte an Fiona die aus Hertfordshire kommt und aus weiß der Henker was für Gründen in Fürth gelandet ist. Gut so. Das war übrigens die Finnland-Tour die ich mit Geoff Berner gespielt hatte. Übrigens auch die Tour die dann mit dem Orkesteri dort weiterging. Übrigens bin ich seit der Rückkehr von dieser Tour mit Fiona zusammen. Übrigens sehr gut so. Maybe touching on bloody gut so.

"Kahden Viikon Mies", Marko Haavisto
(Album: Tässä ja nyt, Pyramid)
Seit ich Haavistos Song "Paha Vaanii" im Kaurismäki Film "Der Mann Ohne Vergangenheit" gehört habe lässt mich die Musik des Künstlers aus Lahti nicht mehr los. Je mehr ich mir von ihm angehört habe desto bezaubernder fand (und finde) ich diese durch und durch finnische Mischung aus Rautalanka (die finnische Variante von Shadows-artigem instrumental Rock'n'Roll), swingendem Roots-Rock und Iskelmä. Als Laura von Uusikuu 2007 vorschlug beim Mäkkelä's Trash Lounge Auftritt in Reading/UK zusammen ein Lied auf finnisch zu singen fiel die Wahl schnell auf dieses Stück von Marko Haavisto. Ein starker Song, so simpel wie effizient mit auch noch tollem Text. Für mich auch insofern ein besonderes Stück, als ich damit einen Herbstnachmittag an unserem Mökki verbinde an dem mich Marko besuchte und wir uns sehr lange bei Kaffee und Pulla unterhalten haben. Hat mir zu dem Zeitpunkt ziemlich geholfen und auch dazu geführt dieses Stück für das letzte Mäkkelä Album einzuspielen. Marko Haavisto & Poutahaukat sollte man sich unbedingt live ansehen.

"One Shoe", Geoff Berner
(Album: Klezmer Mongrels, 9pm Records)
Geoff Berner. Der Whisky Rabbi. Begnadeter jüdisch-kanadischer Akkordeonist, vielleicht der brillanteste Solo-Performer den ich persönlich kenne. Obwohl ich fast kein schwaches oder auch nur mittelmässiges Stück aus seiner Feder kenne, habe ich mich für dieses entschieden. Geoff covert hier Kris Demeanor, einen kanadischen Songwriter-Kollegen. Ein Song der mich immer noch zu Tränen rühren kann. Politisch, kritisch und dennoch ein unfassbar anrührendes Stück Musik das richtig wehtut. Ich kenne das Original zwar nicht, aber es fällt schwer zu glauben das es diese Version toppen könnte.
Ich habe über die letzten Jahre immer wieder mal mit Geoff spielen können und die Abende die ich da erlebt habe gehören zu den unvergesslichen. Bei den Auftritten von Mäkkelä's Trash Lounge covere ich fast immer Geoff's Song "Volcano God". Ein Stück dessen Text irgendwann mal meinen Grabstein schmücken soll. Wenn ich denn einen kriegen sollte. Alle, ausnahmslos alle, Alben von Geoff Berner sind eine Anschaffung wert. Der Mann hat viel zu sagen und es macht Laune ihm zuzuhören.

"Vivi The Flea", Fatal Shore
(Album: Real World, Amboss Recordings)
Unbegreiflicherweise bin ich auf die Musik von Phil Shoenfelt bzw. der beiden Bands die er massgeblich prägt (Fatal Shore und Phil Shoenfelt & Southern Cross) erst 2010 aufmerksam geworden. Ulli - ein Mäkkelä/Church Of The Blue Nun Fan - musste mich erst darauf stossen. Danke dafür. Bis dahin war er mir nur als Verfasser des Nachrufs auf Nikki Sudden auf dessen Homepage aufgefallen.
Dieses Stück vom Fatal Shore Album "Real World" beeindruckt mich wegen der plastischen Bilder und hat mich auf meiner Herbst-Tour auf der Strecke Fürth über Trier über Dortmund bis wieder nach Süddeutschland nicht mehr losgelassen. Immer wieder "Repeat". Leg das Ding auch jetzt noch immer wieder auf. Im Dezember 2010 lernte ich dann Phil bei einem gemeinsamen Konzert in Prag kennen. Live haben seine Songs dann auch noch eine ganz andere Intensitäts-Dimension. Der gebürtige Engländer, der seit 15 Jahren in Prag lebt, ist für mich einer der ganz großen Underground-Poeten seiner Generation. Wie ich mittlerweile gehört habe wird sein Roman "Junkie Love" neben den Werken von Borroughs als Lehrmaterial zum Thema Beat Poets an hiesigen Universitäten verwendet. Warum dem Mann so ungerechtfertigt wenig Aufmerksamkeit zuteil wird ist mir ein Rätsel. Seine Biografie ist ein faszinierender Spaziergang durch die Punk & Post-Punk Kulturgeschichte. Empfehlenswerte Website mit jeder Menge Informationen über das Gesamtwerk.

"Nostalgia For The Reptiles", The Nightingales
(Album: Cartoon Of A Band, TUG Records)
Da liessen sich Bände drüber schreiben. Vor allem über meinen alten Freund Marko Kantola, Bassist, Sänger und Stückeschreiber der Nightingales aus (ursprünglich) Rovaniemi. Schüttelt seit Jahren Powerpop-Hymnen aus dem Ärmel, ist ein fantastischer Bassist, Finnland's größter Robyn Hitchcock-Fan und versucht seit Jahren sein beeindruckendes Talent durch einen nicht minder beeindruckenden Alkoholkonsum wegzusaufen. Glücklicherweise hat er's bis jetzt nicht geschafft aber er arbeitet hart daran. Aktuell spielt Marko vor allem Solo-Auftritte, oft mit Janne Westerlund zusammen. Feine Sache, aber bis es da zu einer Veröffentlichung kommt sollte man einfach auf eines der vielen, ausnahmslos gelungenen, Alben der Nightingales zurückgreifen. Bizarre, schmissige Mischung aus Ragtime-Piano, Pubrock und der musikalischen Erbsubstanz von Ray Davies. Ich mag das.

"Goodnight Country Girl", Martin Newell
(Album: The Off White Album, Cherry Red Records)
Kurz nachdem mitte der 80er Jahre die ersten Indievertriebe in Deutschland aktiv wurden, spülte es auch ein obskures, britisches Duo in die damals noch raren Indie-Plattenläden. Die Cleaners From Venus und ihr Album "Under Wartime Conditions" waren für mich eine Sensation. Sehr, sehr britisch-exzentrischer - sagen wir mal - Lofi-Pop. Eindeutig Syd Barrett-Tradition. Dann irgendwie aus den Augen verloren. Für meine 2003er Tour hab ich mir dann als Nice-Price bei Glitterhouse Martin Newell's zweites Solo-Album, das "Off White Album" gekauft. Nicht wirklich ernsthaft angehört damals, weil aus was für Gründen auch immer nicht so recht stimmungskompatibel. Nochmal fünf Jahre später leg ich das Ding auf und kann nicht verstehen wie ich dieses Juwel jemals mit Nichtbeachtung strafen konnte. Ein Meisterwerk englischer Songwriterkunst. Die Essenz der Ursuppe aus der Bands wie Oasis einen faden Aufguss bereitet haben. Zeitlos. Kein schlechter Song. XTC's Dave Gregory brilliert an der Gitarre und nebenbei hat's auch noch die absurdesten Linernotes eines Albums, verfasst vom grandiosen Lyriker, & Texter Martin Newell himself. Muss man haben und zur erbaulichen Ergänzung des Ganzen empfiehlt sich die Lektüre von Newell's Roman "This Little Ziggy". Ich spiele diesen Song immer wieder bei meinen Konzerten und hoffe inständig das hinterher jeder losrennt und mindestens ein Martin Newell Album kauft. Wenn ich ihn mal treffen sollte muss ich unbedingt fragen ob die Umsatzzahlen gestiegen sind. Es lohnt sich übrigens auch mal in seinem Blog zu lesen.

"Hallelujah I'm A Bum", Janne Westerlund
(Demo-Release)
Eine Demo-Aufnahme die mir Janne für's Booking seiner Tour mit Marko Kantola 2009 geschickt hat. Einer meiner heimlichen Top-10 Hits. Janne ist ein unglaublich talentierter Songwriter der allerdings vorwiegend mit seiner Band Plain Ride (großartig!) und als Gitarrist bei Circle und Pharaoh Overlord auftritt. Seine Solo-Shows gehören zu den intensivsten Auftritten die ich bisher gesehen habe. Sollte man ansehen sofern sich eine Gelegenheit dazu bietet. Der Song ist meines wissens bisher nicht veröffentlicht worden.

"Rosmariini", Orkestar Business Class
(Demo-Release)
OBC haben zum einen den besten Bandnamen den man sich ausdenken kann und machen zum anderen wunderbar bizarre Musik.Jari Mikkola von Desert Planet hat mich auf diese Band aus Rovaniemi aufmerksam gemacht. Bandleader Jaakko Laitinen hat mit seiner Vision Musik der Roma, Balkan-Pop und finnische Tango-Sehnsucht zu verbinden einen einzigartigen World Music-Entwurf geschaffen. Zwar haben sich Orkestar Business Class nach nur einem Album aufgelöst, was aber nicht ganz so tragisch ist da Laitinen mit der neuen Formation Jaakko Laitinen & Väärä Raha das Konzept relativ erfolgreich weiterführt. Das Stück "Rosmariini" ist so weit ich weiß nur auf ihrem ersten Demo, aber das dann erschienene Album ist keinen Deut schlechter und auch noch erhältlich.

"Kontroll pa kontinenten", Kaizer's Orchestra
(Album:Ompa Til du Dør)
Ein Heavy-Rotation Thema im Tour-CD-Player. Schlicht Norwegens beste Rockband. Catchy, rockt als ob es kein Morgen gäbe und singen auch noch Norwegisch. Auch so kann man also Superstar werden. Sympathiepunkte obendrauf weil die Kaizer's Geoff Berner adoptiert haben und ihn immer wieder als Support auf ihre Tourneen buchen. Dieser Track ist von ihrem besten Album "Ompa til du dør". Ein Klassiker.

"Olen Suomalainen", Kari Tapio
(Album: auf vermutlich tausenden von Iskelmä-Compilations...)
Hier schliesst sich der Kreis. Der große, alte Mann des finnischen Schlagers, des Iskelmä, der tragischerweise im Dezember 2010 verstarb, mit seiner "Finnland-Hymne". Im Original von Salvatore "Toto" Cutugno (da heisst das "L'Italiano") ist dies vermutlich das Stück das man mit Kari Tapio verbindet. Ganz alte Crooner-Schule und nach dem Einstieg mit Ismo Alanko irgendwie der einzig mögliche Abschluss dieser Liedersammlung.

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